Murgtäler Fasent

Wenn im Murgtal einer was von Karneval oder gar von Fasching faselt, dann gucken sich die Murgtäler gegenseitig an und ihr Blick sagt: "der isch awwa nit vun do " (der ist aber nicht von hier, das ist ein Reigschmeckter, also ein Zugezogener.
Ein Murgtäler würde nie Karneval oder Fasching sagen.

Bei uns heißt das schlicht und einfach Fasent. Wenn meine wunderfitzige Kollegin am Freitag morgen wissen will: "Manfred, warsch schu uffda Fasend?", dann will sie mich aushorchen, ob ich schon eine Faschingsveranstaltung besucht habe. und nicht von ungefähr am Freitagmorgen. Weil nämlich bei uns in Herde Durschtigs imma schnurre isch.
Durschtig ist Donnerstags , und Herde ist der Gaggenauer Stadtteil Hörden, DIE Fasnachtshochburg des Murgtals.
Hörden heißt aber nur temporär Hörden. In der fünften Jahreszeit heißt Hörden Schmalzloch.

Der Name Schmalzloch wieder hat seinen Ursprung im klassischen Fasnachtsgebäck des Murgtals, den Fasendkiechle. Fasendkiechle sind im restlichen Deutschland Berliner, Krapfen und dergleichen. Aber im Murgtäler Fasendkiechel isch koi Schlecksel (Marmelade) drin. "Da Murgdäla will on Fasend seine Fasendkiechle un die us da Weschzoin". Will heißen, dass der Murgtäler seine Kiechle aus dem aus Weide geflochtenen Wäschekorb will. Aus der Weschzoin deswegen, weil die in solchen Mengen gebacken werden, dass nur ein solch großes Behältnis in frage kommt.

Zu seine Fasendkiechle trinkt der Murgtäler en Haffe Moscht (wenn er nicht grad trockener alkoholker ist). Ein Haffe ist ein irdener Krug, in Hessen Bembel genannt. Der Moscht ist (besser war) DAS Murgtäler Hausgetränk. Was dem Bayer sein Bier ist dem Murgtäler sein Moscht.
Moscht wird üblicherweise aus Äpfeln gekeltert, mein Opa hat als spezielle Zugabe ein paar Quitten dazugeschnitten. Übrigens hat mein Opa, Gott hab ihn selig, nach dem Genuß von einem Haffe oder zwei Moscht besonders schön und laut gesungen. Es gibt aber auch Birnemoscht, und was besonders Feines ist Heidelbeermoscht.
Soviel zum Moscht, den es an Fasent in Schmalzloch zu den Fasendkiechle gibt.
Und da die Fasendkiechle in Schmalz schwimmend ausgebacken werden, und Hörden früher ein kleines Dorf, auch Kaff oder Loch genannt, war haben wir hier auch die Erklärung für den "nickname" Schmalzloch.

Und warum fragt mich meine Kollegin am Freitagmorgen, ob ich om Durschtig Owwed uff da Fasend war?
Weil durschtigs-donnerstags in Schmalzloch immer schnurren ist. ich sag euch, es ist leichter an Heilig Abend eine Audienz beim Papst zu bekommen, als an einem Schnurrabend einen Autoparkplatz in Schmalzloch. Schnurren kann man nur andeutungsweise mit Faschingstanz übersetzen und würde einen eigenen Schrätt füllen.
Traditionsgemäß kommen die Weibsleut maskiert zum schnurren und Maskierte haben freien Eintritt. Beim Schnurren gibts nur Damenwahl, und das kann unter Umständen eine Strafe Gottes sein, wenn dich eine zum Traumtänzer erwählt hat, die nicht unbedingt auch deine Wahl wäre.
Den Tanz abschlagen sieht aber auch nicht gut aus. Ein probates Mittel ist ein Lokalwechsel. Da kann dir"s aber passieren wie dem Hasen und dem Igel, und die ruft nach ner Weile: "Hurra, ich bin auch schon da"!

Zum Schnurren gehört obligatorisch dazu, dass man seine maskierte (hoffentlich) Schöne in die Bar einlädt und natürlich freihält. Dabei versucht man natürlich mit allen erlaubten und unerlaubten Tricks herauszufinden, wer unter der Maske steckt. Einen ausgedehnten Schnurrabend tritt der Murgtäler üblicherweise mit gutgefülltem Portmonäääääääää an, weil das unter umständen teuer werden kann. Aber wir Murgtäler gönnen uns ja sonst nichts. Der Knaller vom Schnurren kann aber auch sein, daß du am nächsten tag nicht mal weißt, wen du abgefüllt hast, weil es nicht wenige vorziehen, vor Mitternacht zu verschwinden, um der Demaskierung zu entgehen. Als Faustregel kannst du dir merken, wenn sie vor Mitternacht verschwindet ist sie entweder verheiratet, schon ziemlich alt oder sieht nicht sehr gut aus. Wenn du Pech hast, treffen alle drei fälle gleichzeitig zu .
In Schmalzloch verteilen sich die verschiedenen Altersgruppen am Schnurrabend auf die Flößerhalle , den Anker, den Hirsch, und den Ochsen (unge-un owwedrin)(Unter-und Obergeschoss). Schnurren erstreckt sich auf die vier Donnerstage vor Fasnacht.
Hier brech ich jetzt mal mit dem Schnurren ab. Schmalzloch hat noch viel mehr zu bieten, kann man unmöglich in einem Beitrag abhaken. Ein interessanter Brauch ist das Schieweschlage uffem Schieweberg, und am Rosenmontag und Fasnachtsdienstag das Schlempeln.
Absoluter Höhepunkt der Schmalzlocher Fasent ist jedoch der große Umzug am Fasnachtsonntag, bei dem sich das ganze Murgtal ein Stelldichein gibt.

Eine Besonderheit des Umzugs ist die Holzmaskengruppe der "fürigen Barthel". Eine historische Figur aus der Hördener Geschichte.
Wenn man von meinem Wohnort einen 10minütigen Spaziergang macht ist man am Ortseingang von Hörden und steht dort vor einem großen Sägewerk. Hier stand vor vielen Jahren schon die Hasselbachsäge, eine von 6 Hördener Sägen insgesamt. Die 6 Sägen des kleinen Dorfes zeugen vom einst unvorstellbar großen Holzreichtum des Murgtals.
In dieser besagten Hasselbachsäge gab es den Obersäger und Holzvermesser Barthel. Barthel ist die Murgtäler Abreviation für Bartholomäus. Diesem Barthel war schon seit geraumer Zeit aufgefallen, dass an seiner Hasselbachsäge vorbei regelmäßig Rastatter Metzger ihren Weg ins Schwäbische nahmen, um dort Vieh einzukaufen. Und diese Viehkäufer hatten immer dick gefüllte Geldkatzen um den Leib geschnallt. Dieses Viehgeld lies dem Barthel keine Ruhe mehr, und das Unheil nahm seinen Lauf.

An einem dieser Tage im Advent, wo es morgens lang dunkel ist, lauerte der Barthel einem dieser Metzger auf , zog ihn in die Mühle und schlug ihn dort mit seiner Axt mausetot. Nachdem er ihm seine Moneten stibitzt hatte warf er die Leiche in die Murg. Wohin hätte er sie im Murgtal auch sonst werfen sollen.
Das verbrechen kam nie an den Tag, aber der Barthel starb kurz darauf . Er konnte zwar der irdischen Gerechtigkeit entkommen, aber dem Schicksal entkam er nicht. Er musste fortan als feuriger Geist in der Mühle umgehen. Oft meinten einst die Leut, wenn sie an der Hasselbach vorbeigingen, in der Mühle würde es brennen. Doch wenn dann jemand nachsehen wollte, kam ein feuriger Mann "der fürig Barthel" eben, aus der Mühle gerannt. Es heißt, in der Adventszeit könne man dies am besten beobachten. Aber erst wenn mal ein Säger für den Barthel eine messe lesen lässt kann dieser seine Ruhe finden.

Soweit die Sage vom "fürig Barthel". Diesem unglückseligen Barthel hat man vor einigen Jahren in der Hördener Fasent ein Denkmal gesetzt, indem man ihn in Gestalt einer Holzmaske verewigte. Diese Holzmaske wird von einer rührigen Gruppe ,die sich na wie wohl, "d'fürig Barthel" nennt, bei vielen Umzügen in der Fasentzeit getragen. Besonders natürlich beim Hördener Umzug am Fasentsonntag. Meine Aufnahmen sind noch warm, hab ich heut Nachmittag in Bad Rotenfels im Murgtal aufgenommen.

Zum Abschluss noch ein paar Bemerkungen zur Murgtäler Fasent, die man der schwäbisch-allemannischen zuordnen muss. Murgtäler Fasent ist nicht das Fröhlich-Lärmende des rheinischen Karnevals. Unsere Fasent hat archaische Wurzeln und basiert auf dem Austreiben der dunklen Mächte des langen Winters. Murgtäler Fasnacht hat was gruslig Dämonisches.
Man muss es erlebt haben.


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